Meine Reise nach Malawi beginnt als erstes bei Google. Ernsthaft, ich musste mich erstmal darüber informieren wo dieses Land liegt. Als ich in der Frühphase Freunden und Bekannten über mein Vorhaben erzählte, bekam ich jedes Mal zustimmendes Nicken. Ich konnte meist ablesen, dass mein Gegenüber keinen blassen Schimmer davon hatte, wo Malawi ist oder überhaupt von der Existenz dieses Königreiches wusste. Hätte ich genauso reagiert?
Bei der Recherche begleitet mich Angst und Unbehagen. Ich hatte bisher überwiegend Schlimmes über Zentralafrika gelesen. Die Bilder in meinem Kopf sind eher negativ geprägt. Ich lese noch schnell die neusten Headlines - Tourismus auf der einen Seite und Malaria, Korruption, Armut auf der anderen. Ich schließe die Tabs. Dann gab es noch viele Meinungen speziell meine Person und Erscheinung betreffend: "Der chinesische Großinvestor mit dem Koffer voll Geld alleine unterwegs." Ich fürchtete mich etwas um meine Sicherheit.
Die Recherche zu geeigneten Teequellen nach unserem Verständnis gestaltete sich auch als ungemein schwer. Es gab bisher nur eine Plantage in Malawi, bei der es relativ einfach war einen verbindlichen Kontakt herzustellen. Über Instagram stieß ich letztes Jahr bereits auf die Plantage von Satemwa und ich hatte intuitiv ein gutes Gefühl. Ich suchte allerdings noch nach mehr. Im drittgrößten Teeanbaugebiet Afrikas mit mehreren Tausend Tonnen Saisonproduktion muss es mehr geben! Ich setzte mich in Kontakt mit mehreren Hilfsorganisationen, GIZ, Oxfam und Institutionen wie UTZ, Rainforest Alliance, Fairtrade. Ich erhielt nur von der GIZ eine unverbindliche Auskunft. UTZ und Rainforest Alliance waren, nachdem ich Ihnen unser „Videoportfolio“ zugesendet hatte, eigenartiger weise nicht mehr erreichbar.
Okay, dann eben auf eigene Faust. Erfahrungsgemäß klären sich viele Dinge vor Ort.
Ich steige in Dar Es Salaam aus dem Flieger, mein erster Zwischenstopp. Es ist Anfang Februar und 35°C fühlen sich unwirklich an. Ich verbringe zwei Nächte hier und fliege dann weiter in einer winzigen Propellermaschine nach Blantyre, zweite Hauptstadt Malawis. Der Flieger ist praktisch leer. Im Landeanflug wird nochmals durchgesagt, dass gerade wegen der Regenzeit Gelbfieber unterwegs sei und die Verbreitung homosexuellen Gedankenguts nun auch unter Todesstrafe steht, herzlich willkommen!
Während des Ausstiegs filme ich kurz was für Facebook, was gar nicht gut ankam. Security nimmt erstmal mein Pass in Gewahr. Ein Visum habe ich keins, gegen eine Gebühr (die ich in USD $ vorbereitet hatte) schreibt mir der Beamte ein Visum handschriftlich. Und nun kommts: Der Security Guard verlangt 100 $ - Filmen sei nicht erlaubt. Ein weiterer möchte auch 100 $, weil ich keine Impfung gegen Geldfieber habe. Drei Männer begleiten mich zum Flughafen-Geldautomat während mein Visum geschrieben wird. Ich spiele einen Trick aus, lasse mir sehr viel Zeit und tippe die PIN meiner Visa zweimal falsch ein. Die Männer sind sichtlich genervt. Ich biete ihnen meinen Stapel tansanische Schilling an, Gegenwert 15 Euro, ist angenommen. Ich bekomme meinen Pass und Visum - Alle freuen sich.
Der PR-Mann der Satemwa Tea Plantation hatte mir eine kurze Wegbeschreibung gegeben, um diese einem Private Taxi Driver zu zeigen. Er riet mir von den „Bussen“ ab. Ich fragte mich durch und stieg in den nächsten Bus. Die nächsten 5 Std. und nach mehreren Umstiegen sollte ich erfahren, dass über 20 Personen mit Sack und Pack in einen Toyota HiAce Minivan passen, dass die Menschen unglaublich freundlich und offen mir gegenüber sind, dass richtige Schuhe eher selten sind, dass rohe Erdnüsse oder frittiertes Maisbrot gerne geteilt wird und dass ich der einzige „Weiße“ bin.
Die nächsten Tage verbrachte ich im Gästehaus der Satemwa Estates, mit einer Größe von 900 Hektar (inoffiziell etwas mehr) die kleinste Teeplantage in Malawi. Ich konnte mir 900 Hektar nicht vorstellen: Vom Südgate bin ich 5 Km durch Teefelder gefahren, um in die Mitte der Anlage zu gelangen. Ich residiere im Master-Flügel des alten Kolonialhauses. Ich habe nie luxuriöser drei Tage verbracht! Ich werde so schnell aus dem Staunen nicht mehr rauskommen. Die Geschichten um diesen Ort und die schiere Größe haben mich immer wieder neu beeindruckt.
Ich lernte den Eigentümer Alex am selben Abend noch kennen. Ich schätze ihn auf vierzig. Wir haben uns gut verstanden. Kulturell haben wir irgendwie viel gemeinsam, hatten dieselben Fragen durch unser Leben getragen. Er ist die dritte Generation, war in Malawi geboren und ist selten in Schottland, wo seine Wurzeln sind. Bei der intuitiven Frage wie oft er "nach Hause" fliegt schaute er mich erstaunt an. Malawi ist seine Heimat, Europa ist ihm ein fremder Ort.
Wir verabredeten uns zum Tasting und Gang über die Anlage für den nächsten Tag. Mir wurden in den nächsten zwei Tagen dann mehrere Dutzend Proben präsentiert, ich interessierte mich allerdings nur für drei. 99% der Ernte sind CTC Tees für die Teebeutelindustrie, Alex ist der einzige in Malawi, der um die Welt reiste, um verschiedene Teeproduktionstechniken zu lernen und nun im Versuch 1% der Ernte in Qualitätstees transformiert. Er stellte alle Teile des Betriebs auf Fairtrade um. Als jemand, der dort verwurzelt ist hat er einen ganz anderen Bezug zu den Menschen und das ist ohne Zweifel erkennbar. Er erzählte mir von vielen Streitereien mit seinem Vater sowie dessen Streitereien mit dem Großvater. Letzterer hatte es noch mit Sklaverei zu tun.
Ich war beeindruckt von den 1% orthodoxen Qualitätstees. Ich entschied mich von dem Grünen Tee, ein "Twisted Whole Leaf" nach taiwanesischem Bao-Zhong-Verfahren gleich 5 kg als „erster Flugtee 2018“ in meinen Backpack mitzunehmen. Er war noch warm von der Trocknung als ich das Aromapack entgegennahm.
Ich machte mich dann auf in Richtung Süden an die Grenze zu Mozambique. Unterwegs stellte ich noch Kontakt zu weiteren Tee-Estates her. Auf meiner Liste standen noch Lujeri Tea Company, Mulanje Tea-Plantations und Esperanza Tea. Allesamt gigantische Anlagen, doch produzierten sie nur reine Massenware als Konzernfutter. Ich konnte mir die Besuche sparen und unternahm stattdessen Ausflüge durch die Dörfer der Gegend.
Allgegenwärtig herrscht ein freundlicher Vibe. Ich fühle mich zu keinem Zeitpunkt unsicher. Der Besitzer meines Guesthouses in dem ich nächtigte, Patrick, Lehrer für alles und jeden im Dorf Buma, war mir eine große Hilfe. Ich sei sowas wie der Botschafter einer nochmals besseren Zukunft, sagte er. Dann fragt er mich wieder, ob ich ihm mein Zweithandy (ein altes Iphone4) verkaufe. Ich hatte schon oft meine Schwierigkeiten speziell in Drittweltländern mit der Definition und Erlebbarkeit von Armut. Auch hier definiere ich mich neu, ich rufe mir meine "No-Judgement-Challenge" zurück, denn im Vergleich zu meinen Erfahrungswerten, war der Süden Malawis nochmal eine Schippe mehr, bzw. weniger. Die Hälfte der Menschen hier hatten keine Schuhe. Handys und Fernseher sind seltene Gegenstände, doch wer braucht die schon, wenn man glücklich ist?
Genieß Deinen Tee!
Stephan
Wir haben Euch diesen Tee von unserer Reise mitgebracht:
Whole Leaf / Twisted
Ganze Blätter der Assamica-Gattung wurden eingedreht und zu einem grünen Tropentee ausgebaut.
Whole Leaf
Ein Darkrost-Wulong aus Malawi, der in Handarbeit gerollt wird. Eine besondere Rarität mit leichten Karamellnoten.