Zur Abwechslung ein kleines Heimspiel. Meine Reise nach Taiwan beginnt technisch am Flughafen Shanghai. Ich hatte einen Gabelflug gebucht, der überraschend günstig war. Vorher bin ich mit Jürgen in China von Zhejiangs Long Jing Plantagen bis in die hintersten Pu-Erh Dörfer Yunnans (Lincang) groß unterwegs gewesen.
Ich hatte wahnsinns Vorfreude im Geiste. Taiwan ist für mich zweite Heimat, ich hatte einen Teil meiner Kindheit, bzw. Jugend hier verbracht. Ich stehe total auf die Menschen, Essen, Kultur und Wetter dort und fühle mich deshalb dem Inselstaat sehr verbunden. Früher ging es für Verwandtschaftsbesuche mindestens zwei mal im Jahr in den Flieger, nun war ich bereits zwei Jahre nicht mehr dort gewesen und freute mich über meine „Rückkehr“.
Taiwan hat mit der Flächengröße vergleichbar mit Bayern eine wirklich überschaubare Größe, zusätzlich sind die meisten Flächen (Hochgebirge) nicht wirklich bewohnbar. Dieses mittlerweile sehr hoch entwickelte Land erinnert mich nun an Tokyo, Japan, die Menschen sind sehr kultiviert und die Infrastruktur bemerkenswert gut. Viel vorrecherchieren brauche ich auch nicht, mir ist bekannt wo in etwa die besten Qualitäten herkommen und die Mission ist glasklar: Finde den besten Jin Xuan Oolong in der High Mountain Zone! Das nenne ich Heimspiel.
Kurzes zu Jin Xuan Oolong: Jinxuan ist einer der Big Five Cultivare Taiwans und ist bekannt als Original „Milky Oolong“ - nicht zu verwechseln mit dem Nachbau aus China, der sein Milky Aroma durch künstlichen Zusatz bekommt. Der Original Jinxuan Oolong ist unverwechselbar und erhält seinen subtilen Milky Creamy Flavour durch Cultivarcharakteristik und Verarbeitungstechnik, bzw. Rösttechnik.
Meine Zielregion heisst Alishan! Hier kommen die besten Jin Xuans her, angeblich auch die einzigen die auf über 1000 Meter (Highland Zone) seit vielen Generationen kultiviert werden. Schaut man in die internen Seiten der Tea-Competitions rein, wird es eindeutig: Teewettbewerbsgewinner Kategorie Jin Xuan Oolong kommen aus Alishan.
Nach einer Nacht in der Hauptstadt gehts für mich per Zug Richtung Zielgebiet. Ich miete mir als erstes einen Scooter und eine Stunde später bin ich auf Gebirgsstrassen. Die Luft ist mit 25°C deutlich frischer und feuchter, als an der Küste (35°C), es ist Teeklima. Mit dem Scooter durch die tropischen Serpentinen entlang zahlloser kleiner Teefelder zu pesen ist mir ein Hochgenuss!
Mir wurde bereits in der Hauptstadt eine Teeplantage mit Guesthouse und Mama-Like-Vollverpflegung auf 1200 Meter empfohlen. Nachmittags checke ich ein und erkundige mich beim Familien-Abendessen über aktuelle Erntequalitäten. Ich habe sehr viel Glück, nicht nur, dass ich faktisch schon auf einer Teeplantage (leider kein Jin Xuan) übernachte, sondern auch trifft sich ein ganz besonderer Zufall: Die älteste Tochter der Familie ist spontan vorbeigekommen, sie arbeitet als Prüfungsorgan beim Ministerium für Landwirtschaft - Abteilung Tee und kennt somit JEDEN Teebauern der Region persönlich.
Am selben Abend stecke ich mit ihr noch meine Routen für die nächsten Tage ab. Sie kann mir bereits jetzt schon ein paar Besonderheiten verraten.
Kurzes zur Struktur des Teeanbaus in Taiwan: In der Regel sind in der Hochlandzone die Ländereien auf eine Vielzahl von kleinen Familienbetrieben aufgeteilt. Die Parzellen sind meist in Steillagen und ich erkenne oft nicht mehr als 2-3 Hektar pro Familie. Land ist in Taiwan generell knapp, hier liegt auch der Ursprung der Verarbeitung, bzw. Veredelung, das besondere Rösten der Oolongs nach der Grundverarbeitung.
Auf meiner Ersten Tour Richtung Norden kann ich gleich 5 Plantagen auf einer Strecke von ca. 20 km besuchen. Das Vorgehen ist hier für die nächsten Tage immer gleich: Sehe ich eine Teeplantage fahre ich ran, stelle mich vor und frage ob sie noch Jin Xuan Oolong haben, wenn ja dann wird probiert, ich mache mir Notizen über Geschmacksprofil, bespreche Preise und fahre weiter. In 4 Tagen begegne ich auf diesem Wege 14 Teeplantagen mit unterschiedlichen Jin Xuan Röstungen. Es waren auch wie ich bereits erwartet hatte auch Teebauern dabei, die bereits ausverkauft waren, bzw. Reservierungen halten. Über den Begriff „fair“ gehandelt mache ich mir in dieser Region keine großen Gedanken. Hochland Oolong aus Taiwan ist eine sehr sehr rare Ware und ich befinde mich in einem klassischem Angebotsmarkt, das bedeutet der Teebauer bestimmt seinen Preis, denn er weiß: im Zweifel findet er immer einen glücklichen Käufer.
Am letzten Tag in Alishan fahre ich zu meinem Favoriten, ich hatte den Abend vorher mich bereits angekündigt und bin zum Mittagessen eingeladen. Tatsächlich fragt man bereits jetzt schon, ob sie nächste Frühlingsernte schon eine Teilernte für mich reservieren sollten und ich habe tatsächlich nun 15 kg unverbindlich im Orderbuch stehen. Für dieses Jahr nehme ich die mir zugesagten 6,5 kg aus der Frühlingsernte 2018 mit - Kommentar: Mehr gibts nicht! Ich mag Angebotsmärkte! Ich mag kleinbäuerliche Strukturen!
Auch wenn ich mich als Käufer irgendwie in einer Bitstellerrolle finde und innerlich auf Sympathie hoffe, liebe ich die Begegnung mit stolzen Familienoberhäuptern. Eigentlich muss ich es nicht Bitstellerrolle als benennen, es könnte auch Ehrfurcht oder ganz einfach Respekt heissen.
Genieß deinen Tee!
Stephan
Wir haben euch diese Tees von unserer Reise mitgebracht:
Whole Leaf
Ein Orginal aus dem Gebiet Alishan, das sein Aroma ausschließlich aus dem Terroir sowie der Röstkunst des Meisters zieht.