Es mag ungefähr 12 Jahre her sein, als ich das erste Mal so wirklich von dem Land names Georgien gehört hatte. Ein Bekannter kam von einer längeren Georgien-Reise zurück, er ist Filmproduzent und war aus beruflichen Gründen dort. Ein ganzes Wochenende voller Geschichten aus der Ex-Sovietunion, aus vergangenen Zeiten. Schon damals wusste ich, diesen Ort werde ich in diesem Leben noch besuchen.
Meine Reise nach Georgien beginnt mit der Autofahrt zum Flughafen Dortmund. Dieses Mal bin ich nicht alleine: das erste Mal begleitet mich mein Bruder Jerry als Kameramann. Es ist nicht nur das erste Mal Georgien für mich, sondern auch das erste Mal, dass ich mit meinem Bruder Jerry zusammen auf Reisen gehe; auf Reisen - mit Mission - für Große. Wir fahren durch die Nacht, um morgens um 05:00 Uhr den Flieger zu bekommen, wir sprechen die Reiseroute das erste Mal so richtig zusammen durch. Es ist jetzt schon extrem spannend.
Am Flughafen Kutaisi angekommen vermisse ich meinen Rucksack. Dieser ist in Dortmund „hängengeblieben“, ich bin in der Regel nicht abergläubisch, aber wenn es schon so losgeht?! Anders gesagt, kann es ab jetzt auch irgendwie nicht mehr schlimmer werden. „Der Rucksack wird mir nachgeschickt“. Ich hinterlasse eine Telefonnummer und wir gehen Richtung Ausgang. Der neue Flughafen super modern, draussen tatsächlich: Esel- und Pferdewägen, die Landwirtschaftliche Güter transportieren. Ok spannende, fremde Welt, Bummelbus ins Zentrum, wir sind da.
Die ersten zwei Nächte verbringen wir in Kutaisi, einer Stadt mit ca. 100 K Einwohner, Zentral- Georgien. Wir haben in der Altstadt in einer wunderbaren, alten Stadtvilla reserviert. Unsere Hausdame, Mascha, spricht kein Englisch, dafür aber ein wenig Deutsch. Schnell wird uns klar, dass hier sprachliche Herausforderungen auf uns zukommen werden. Jerry lernt auf die schnelle ein paar russische Aussprachen, die uns bereits in den nächsten Stunden ordentlich weiterbringen - der Rest läuft über Google Translate und Händen und Füssen, wie sonst auch immer. Wir haben für die nächsten Tage tatsächlich nur eine einzige feste Visite. Alle weiteren Infos sind sehr wage und alle Recherchen sind lose und ohne feste Anhaltspunkte.
Diese Reise ist nach dem Spiel „Vor Ort Sein“ dominiert, was bedeutet, dass wir uns ein Auto mieten und in ein Zielgebiet fahren und uns auf Märkten, bei Taxifahrern und Dorf-Sheriffs etc. umhören werden.
Am ersten Tag sortieren wir uns, um für den einzigen Termin fit zu sein. Dieser ist bei Renegade Tea Estate. Ein Startup-Projekt, was mir schon Monate vorher bei Instagram aufgefallen war. Miina ist die Vertriebsverantwortliche und spricht sehr gutes Englisch. Von ihr bekommen wir viele Insights über den Teeanbau in Georgien und können auch schon die ersten Brews Georgischen Tees verkosten.
Am dritten Tag fahren wir mit unserem Mietwagen zunächst in die Provinz Gurien, auch bekannt als Grusinien / Grusinischer Tee. Auf dem Weg dorthin ca. 30 km ausserhalb von Kutaisi wird schnell klar, dass Infrastruktur , bzw. Vorankommen etwas mühselig ist. Aber zum Trost: Ab dem ersten Gebirgszug sind wir von Teeplantagen umringt. Bei der ersten Rast ist mir wahrhaftig „aus Versehen“ aufgefallen, dass ich mitten in einem stark verwildertem Teefeld stehe. Ich bin erst von einer Mischvegetation von kleinen Bäumen und Sträuchern ausgegangen, beim näheren Hinsehen sind verschiedene Varietäten von Teegewächsen deutlich. Ich pflücke mir ein paar Tips für später. Die nächsten 50 Km alte Teeplantagen links und rechts der Strasse.
Wir versuchen am frühen Abend eine Unterkunft im Ort Ozurgti zu finden – keine Chance! Obwohl der Ort schon seine 25 K Einwohner hat und gar nicht so klein wirkt. Ok, wir fahren dann direkt weiter in die nächste Provinz und kommen Nachts dann in Kobuleti am Schwarzen Meer an. Gerüchten nach soll es hier eine alte Teefabrik geben, die noch teilweise in Betrieb ist.
Wir fragen die verschiedensten Menschen bis wir irgendwann in der Polizeistation von Kvirike eine Info bekommen, die uns dann zur Kobuleti Tea Factory bringt. Dort angekommen vereinbaren wir mit Händen und Füssen kommunizierend einen Termin für den nächsten Tag. So klappern wir in der Provinz Adscharien und Gurien die Dörfer ab. Hinfahren, fragen wo es Tee gibt (am besten am Gemüsemarkt) und sich überraschen lassen.
Nach diesem Schema gelangen wir zu vier großen Einrichtung aus der Sovietzeit, von denen drei noch teilweise in Betrieb sind und mehreren kleinen Familienbetrieben. Es ist unmöglich alle Ereignisse und Begegnungen auf zwei Seiten formuliert zu bekommen. Daher möchte ich nur ein paar Highlights dieser Tage nennen:
1. Wir haben den besten Tee Georgiens gefunden! Er stammt aus einem kleinen Familienbetrieb und könnte informeller nicht sein. Der Häuptling des Betriebs war früher Betriebsleiter einer Teefabrikation und weiß daher wie die einzelnen Schritte laufen. Alle Maschinen sind in wertvoller Handarbeit selbst gebaut - hierbei wurde Stahl durch Holz ersetzt und das meiste passiert sehr ursprünglich aus Handarbeit aus purem Mangel heraus - perfekte Improvisation. Teeblätter kommen teilweise von eigenen Feldern aus improvisierter Rekultivierung und werden auch teilweise von den Nachbarn geliefert, die in die wilden Büsche gehen.
2. Wir haben eine Russisch Bio Zertifizierte Plantage gefunden, die Qualität ist leider nicht gut.
3. Es gibt in den beiden Provinzen des Teeanbaus in jeder Stadt kleine Märkte auf denen Tee gehandelt wird. Meist sind es Bäuerinnen, die einfach eine kleine Tüte (max. 1000 Gramm) mit schwarzem Tee anbieten. Dieser Tee ist wild gepflückt und auch „wild“ verarbeitet worden. Mann kann die reine Handverarbeitung überwiegend gut erkennen. Die Preise sind sehr niedrig und die Qualität schwankt sehr stark. Ich habe einige Proben getestet. Zu erkennen sind zwei wiederkehrende Fehler: Tee ist Überoxidiert und/oder unsachgemäß lange zwischen gelagert.
Nach wenigen Tagen Hochspannung kommen wir wieder in Kutaisi an - Echt erschöpft, eine Reise für Große! Wir haben uns den Besuch in unserem „Lieblingsrestaurant“ verdient! Die Nacht verbringen wir auf Bänken am Flughafen, der Flieger geht um 04:00 Uhr morgens. Wir rezensieren die Tour und atmen das erste Mal aus.
Mittlerweile habe ich schon echt viele Teeländer bereist und würde mich als Erfahrener bezeichnen, Georgien ist nochmal was ganz besonderes. Die sprachlichen- und auch kulturelle Herausforderungen sind nochmal ein anderes Level. Ich denke an meine Tour in Malawi/Tansania, wo die Infrastruktur mangelhaft war, ich aber sprachlich gut zurechtkam. Dann denke ich an Japan mit hohen Sprachlichen Barrieren allerdings einer Tip-Top Reiseinfrastruktur!
In Georgien kombinieren sich diese Herausforderungen. Hier habe ich gelernt, dass Russisch eine absolut tolle Sprache ist. Wenn ich nochmal eine neue Sprache lerne, wird es Russisch sein.
Juni 2019 komme ich wieder, nicht nur für Tee und Essen, sondern für das Gefühl an einem ganz besonderem Ort zu sein.
Steph
Wir haben euch diese Tees von unserer Reise mitgebracht:
Two leaves one bud
Teilweise wilde Pflückung - ausgesprochen fruchtig-würzige Noten, sehr schönes gleichmäßig-schwarzes Blatt.